Verschwundene Objekte

Verschwundene Objekte
Viele Kunstwerke waren über Zeiträume unterschiedlicher Länge Fixpunkte des Stadtlebens. Für die in eben jenem Zeitfenster deren Präsenz lebenden Bürger waren sie Attraktionen ihrer Lebenskulisse. Wir verweilen ja mit unserer Lebensspanne nur einen Zeitausschnitt lang in "unserem" Stadtbild, das sich anderen Generationen ganz anders angeboten hat und darbieten wird.
Objekte verschwinden aus dem öffentlichen Raum durch Zerstörung, Abbau, Kriegseinwirkungen oder aus politischen Gründen. Die Ars Publica Düsseldorf holt solche vergangenen Attraktionen zurück in die Gesamtschau der Geschichte des Stadtbildes.
Es folgen einige Beipiele aus den Bänden.

Finito
Als 1877 Kaiser Wilhelm II seinen runden Geburtstag feierte, pflanzte der Enkel Theodor Fliedners eine junge Eiche in den Garten des Stammhauses der Diakonie am Kaiserswerther Markt. Die »Kaisereiche"« wurde von drei steinernen Pylonen eingefasst, die als Inschrift die lateinischen Worte »cresceat« und »floreat« (sie möge wachsen, sie möge blühen) trugen, sowie auf der 3. Stele »Jubilate 22. Maerz 1877«. Zudem wurden die drei Pfosten mit schweren Eisenketten verbunden, die nicht mehr vorhanden waren.

2008 wurde der exponierte Baumriese nach 133 Jahren gefällt. Ein Pilzbefall war diagnostiziert worden. Viele Kaiserswertehr vermuteten allerdings, dass er lediglich dem Parkplatz-Neubau im Wege stand.
Anstatt nun einen neuen Baum zu pflanzen und ihn wieder im magischen Dreieck der drei Stelen aufwachsen zu lassen, wurden die steinernen Pylone unmotiviert in die neue Gartenplanung verstreut, sie wirken heute wie japanische Laternen.

Kleiner Trost: Beim nächsten runden Jubelfest des Kaisers wurde 1887, zu seinem 90. Geburtstag, eine weitere Kaisereiche im Park der Diakonie gepflanzt. Sie erfreut sich bis heute bester Gesundheit und darf dort, vor dem Fronberg-Haus, bestaunt werden.
Die Pyramide
Die monumentale Bronze-Pyramide wurde  zwischen 1705 und 1711 im Gießhaus am Düsseldorfer Rathausplatz von Gabriel de Grupello geschaffen. Fast gleichzeitig arbeitete er am Reiterstandbild des Jan Wellem. Die mit Analogien und symbolischen Figuren überhäufte, fast 15 Meter hohe »Statua« stand  rund 20 Jahre lang im Innenhof der kurfürstlichen Galierie in Düsseldorf. Für die Bürger jener Zeit gehörte sie ganz selbstverständlich zum Stadtbild. Nach dem Tod des Kurfürsten gelangte sie nach Mannheim, wo sie seit 1743 auf dem Paradeplatz steht.
Die Pimpfgruppe
Als Pendant  zu Josef Daniel Sommers Gruppe "BDM-Mädel" wurde sie 1937 für die Ausstellung »Schaffendes Volk«  erstellt. Die Muschelkalk-Skulpturen wurden nach dem Krieg vernichtet.
Puttengruppe an der Rheinterrasse
Willi Hoselmann schuf 1928 für die kleine Bastion, das Entrée zur Gartenwirtschaft der Rheinterrassen, drei überdimensionale Puttengruppen. Im Krieg wurden die Muschelkalk-Kinder zerstört.
Das Roeber-Mosaik
Heute steht an gleicher Stelle, auf dem mittleren Podest der »Rheinschiffer von 1850« von Emil Jungbluth. Übrig geblieben ist in Privatbesitz eine der Figurengruppen als kleine, glasierte Keramik.
Über dem Haupteingang der 1879 erbauten Kunsthalle, die sich gegenüber dem heutigen Opernhaus befand, prangte ein riesiges Mosaik, das nach dem Entwurf von Fritz Roeber gesetzt war.
»Veritate Arti« lautete der Titel des Wand-bildes, das in den Werkstätten von Antonio Salvati in Venedig gefertigt wurde. Nach den Bombenangriffen  war zwar die Kunsthalle lädiert, das Mosaik aber hatte
keinen Schaden genommen. Beim Abriss des Gebäudes (1959) wurde das Mosaik abgenommen und  segmentweise in Kisten verpackt. Bis heute lagert der ungehobene Schatz im Depot des Kunstmuseums.
Fragmente des Roeber-Mosaiks, auf Stoffbahnen applizierte Teilstücke, sind in Kisten gelagert. Bei einer Revision im Jahr 1994 durch Restauratoren, wurde der allgemeine Zustand der Segmente als »insgesamt fragil« bezeichnet. Alle Versuche, das Mosaik an neuer Stelle anzubringen, scheiterten an den enormen Kosten. (Fotos: Linossi)

Putten von Schloss Jägerhof
Die beiden um 1910 von  Hubert Netzer geschaffenen Jagd-Allegorien schmückten etwa seit dieser Zeit die Pylonen der Gitter-Einfassung von Schloss Jägerhof .

Nach den verheerenden Bombenangriffen vom Juni 1943 war das Schloss größtenteils zerstört, die beiden Putten aber standen unversehrt auf ihren Plätzen.  Über ihren Verbleib kursieren seit langer Zeit nur Gerüchte.
Die linke Puttengruppe mit dem Keiler soll von einem Privatmann aus dem Kreis Mettmann nach dem Krieg geborgen worden sein. Er soll sie vergeblich der Stadt zum Kauf angeboten haben. Die rechte Gruppe mit Fisch soll sich, stark beschädigt, auf dem städtischen Bauhof befinden. Beide Gerüchte konnten nicht verifiziert werden.
Weithin sichtbar ragte der Eisenbrunnen auf dem Mittelpunkt des Schwanenmarktes empor. Er befand sich in einer achteckigen Einfriedung durch einen Gitterzaun.
Auf der Spitze der Säule erhob sich eine  Frauengestalt in  flatterndem Gewand, die einen Putto geschultert hatte. Der wiederum blies mit erhobenem Kopf auf einem Muschelhorn.
Schalenbrunnen auf dem Schwanenmarkt
Der imposante Brunnen auf dem Schwanenmarkt war im Jahr 1872 errichtet worden. Die komplette Brunnenarchitektur war aus Gusseisen von der Gießerei Lauchhammer aus Sachsen geliefert worden. Rund 50 Jahre lang war dieses Prachtstück, auf dessen Etagere Schwäne ihre Flügel spreizten, wohl in Bezug auf den Namen des Platzes, Mittelpunkt des damals noch durch diagonale Wege erschlossenen Fläche.

Wegen mangelnder Pflege verrottete der Brunnen stark, bis er 1925 entfernt werden musste. Ein weniger spektakulärer Nachfolger wurde installiert, ist aber heute verschollen. Damals bekam der Schwanenmarkt eine neue Gestaltung, die er noch heute aufweist.

1882, also genau 10 Jahre später, wurde auf dem Corneliusplatz der Schalenbrunnen von Leo Müsch aufgestellt, dessen Konzeption durchaus im Schwanenmarktbrunnen ihr Vorbild gehabt haben kann. Jedenfalls sprudelten in Düsseldorf über mehr als 35 Jahre zwei Schalenbrunnen, die sich nicht unähnlich waren.

Der Plan des Gartenamtes aus dem Jahr 1883 zeigt die Lages des Brunnens auf dem Mittelpunkt des Platzes
Diabolo
Seit seiner Aufstellung im Jahr 1978 hatten wohl tausende Bürger die Installation durchschritten, führte doch der Weg zum Rhein gerade  durch dieses Nadelöhr. Der »Diabolo« erinnerte sowohl an das beliebte Kinderspielzeug, als auch an die Hörner des Teufels. Bildhauer Friederich Werthmann hatte der Stadt die große Stahlskulptur als Leihgabe überlassen. Als sich zu Beginn der 2000er Jahre immer noch keine Kaufabsicht abzeichnete, veräußerte der Künstler das Werk kurzerhand nach Stuttgart. 2002 rückten dann die Bagger an und der Diabolo war verschwunden. So mancher Bürger rieb sich ob des Verlustes der vertrauten Landmarke verwundert die Augen.




Eine Kunstkommission aus Stuttgart war extra angereist, um den »Diabolo« zu begutachten. Man wurde sich schnell einig, und der Künstler verkaufte das Kunstwerk per Handschlag. Werthmann daraufhin zur Presse: »Wat fott is, is fott«.
Das 39er-Denkmal von Jupp Rübsam
1927 wurde der Bildhauer Jupp Rübsam, der selbst Kriegsteilnehmer gewesen war, mit dem Entwurf eines Ehrenmales für die im 1. Weltkrieg gefallenen Mitglieder des Füsilierregiments der 39er beauftragt, das am 1. September 1928 auf dem Platz vor dem damaligen Planetarium feierlich eingeweiht wurde. Rübsams expressive Formensprache stieß sofort bei verschiedenen Kräften in der Stadt auf heftigen Widerstand. Fronten bildeten sich zwischen den Befürwortern, die vor allem aus der Künstlerschaft kamen und den erbitterten Gegnern aus den nationalen Kreisen.
Abbruch des 39er Denkmals im Auftrag der Nationalsozialisten im März 1933.

Links: Aufgesockelte Relikte des Kriegerdenkmals neben der Tonhalle (ehem. Planetarium)  an der Oederallee im Ehrenhof-Komplex.  Die Inschrift auf der langgeszogenen Bronzetafel erläutert das Schicksal des Kunstwerkes.

In der Presse schimpften die einen über das »fremdartige Zwillingspaar«, andere bezeichneten die Figuren als "hinterasiatisch". Aber auch Beschmierungen mit roter Farbe oder sogar ein Sprengversuch konnten den damaligen Oberbürgermeister nicht zu einer Abrissverfügung bewegen.

Erst als 1933 die Nationalsozialisten die Macht ergriffen, verfügten sie wenige Moate danach den Abriss des Monumentes. .Ein Bautrupp entfernte die tonnenschweren Teilstücke und verfrachtete sie auf den städtischen Bauhof.


Dort sollen sie noch in den 1950er Jahren gesehen worden sein.  1978 wurden die noch vorhandenen Reste neben der heutigen Tonhalle auf einem rechteckigen Sockel aus Ziegeln als »Mahnung gegen Terror und Intoleranz« aufgestellt.






Rechts: Modell des 39er-Denkmals im Düsseldorfer Stadtmusueum.
Wiedergefunden
Manche Werke, die sich einst im öffentlichen Raum befanden, wurden nicht zerstört oder vernichtet, sondern waren von aufmerksamen Menschen gerettet worden, nachdem sie aus den verschiedensten Gründen ihren Platz räumen mussten. Bei den Recherchen zur Ars Publica Düsseldorf wurden einige Kunstwerke in Depots, Kellern oder Hallen entdeckt, die dort zum Teil schon seit Jahrzehnten unbeachtet schlummerten. Auch über solche Schicksale wird berichtet. 
So wurde Kunstwerken, über die in alten Zeitungen oder Büchern berichtet wurde, oder von denen Fotos aus alter Zeit existierten, nachgespürt und schließlich in Abstellkammern, Kellern oder Hallen wieder aufgefunden. Gründe für das Verschwinden gibt es genug: Die Werke waren politisch nicht mehr genehm, mussten Neubauten weichen oder waren einfach vergessen worden.

Vandalismus
Die Zerstörungswut einiger Zeitgenossen ist kein aktuelles Phänomen. Schon bei den früh aufgestellten Kunstwerken hatte man mit dem Problem des Vandalismus zu kämpfen. Besonders fragile Objekte, wie etwa der Märchenbrunnen, wurden in der Anfangszeit sogar von Polizisten bewacht. Bei der Marmorgruppe der Mädchen waren schließlich derart oft gebrochene Beine und Arme geflickt worden, dass man sich entschloss, sie durch eine robuste Bronzeversion auszutauschen. So wurde das schöne Stück zwar vor der Zerstörung bewahrt, aber seiner einstigen Anmut beraubt.
So ziemlich jedes Objekt im öffentlichen Raum der Landeshauptstadt ist im Laufe der Zeit einmal Opfer von Vandalen geworden. Dabei wurden Teile beschädigt oder gingen verloren, fast alle wurden schon von »Grafitti-Künstlern« beschmiert.
Die kuriose »Brunnenfratze« auf dem Kaisers-werther Friedhof soll ursprünglich noch aus dem 17. Jahrhundert stammen. Seit Ewigkeiten diente das Fragment eines Pilasters den Besuchern des Friedhofes als Wasserstelle. Im November 2009 wurde  die Brunnenstele zerbrochen aufgefunden.
Auch ein Opfer von Vandalen und Schmierern: Die Katzenbank im Goltsteinparterre im Hofgarten, hinter dem Schauspielhaus. Das von Hans Demmler geschaffene Relikt aus der großen Gartenbauausstellung 1904 war schon seines Pendants, der »Hundebank«  beraubt worden, als diese dem Immermann-Denkmal im Jahr 1940 weichen musste.
Heute haben grobe Absplitterungen des Marmors zu erheblichen Konturverlusten geführt, immer wieder muss die Bank von Bemalungen gesäubert werden.
Share by: